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Buchprojekt: Operation Heimkehr

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Ende 2012 wurde ich über den Bund Deutscher Veteranen auf das Buchprojekt von Sabine Würich und Ulrike Scheffer aufmerksam.

Die Politikredakteurin Ulrike Scheffer und die Fotografin Sabine Würich suchten für das Projekt Operation Heimkehr aktive und ehemalige Soldaten sowie Reservisten, die an Auslandseinsätzen der Bundeswehr teilgenommen haben.

Operation Heimkehr - zur Verlagsseite

Seit dem 04. Februar ist das Buch nun erhältlich. Das von mir enthaltenen Porträt ist eine der ersten Wortmeldungen, mit denen ich begonnen hatte, die Phase meiner Auslandseinsätze aufzuarbeiten. Auch, wenn mich die Auswirkungen der Einsätze bereits stark und spürbar einschränkten – als traumatisiert sah ich mich nicht wirklich an. Nicht zuletzt, weil in der Öffentlichkeit in Verbindung mit Trauma vorwiegend Gefecht, Tod und Verwundung kommuniziert werden. Ein Trugschluss…

Auf Bundeswehr.de gibt es derzeit ein Interview in dem die beiden Autorinnen über die Entstehung des Buchprojekts Auskunft geben.

Bundeswehr.de - Interview mit S. Würich und U. Scheffer
Beginn einer langen Reise

Zum Interview am 25.11.2012 nutzte ich die schon lange gesammelten Bonus-Punkte der Bahn und fuhr für ein paar Stunden nach Berlin. Mir war noch nicht klar, dass es eine der letzten Reisen nach Berlin sein würde, bevor ich nur 7 Wochen später ganz nach Berlin zog. Ebenso wenig war mir klar, wie viele Gespräche mit Journalisten, Friedensaktivisten und Politikern aber auch Ärzten, Trainern und Therapeuten in den kommenden Monaten folgen würden.

Mitunter entstand hier im Blog der Eindruck, ich würde meine Zeit hauptsächlich bei Facebook, Twitter oder in sonstigen Onlinesphären verbringen. Doch neben diesen Hauptkontaktpunkten im Netz sind es die zahlreichen Kollegengespräche, Telefonate mit Betroffenen, Auftritte als Sprecher auf Podien und nicht zu Letzt der 100-tägige Protest gegen Krieg und Überwachung in Berlin Mitte, die Teil meiner Aufarbeitung sind.

Ich sage bewusst Aufarbeitung, den es gibt nichts, was kuriert werden muss. Mit der Erfahrung von Krieg, Not und Bedrohung nicht fertig zu werden sollte als normal gelten. Deswegen gehe ich auch momentan recht konsequent mit den Menschen um, die mir erzählen, wie krank ich doch sei, ich das Thema beiseite legen solle und “arbeiten” gehen. Liebe Menschen: das hier ist alles andere als Freizeit und heißt nicht umsonst “Aufarbeitung”. Eine Wahl habe ich nicht. Diesen Weg nicht zu gehen führt unweigerlich zum Absturz. Bei manchen früher – bei anderen später. Mittlerweile kann ich akzeptieren, dass meine Sicht auf den Krieg keine breite Öffentlichkeit findet (finden soll?).

Start der Aufarbeitung: Operation Heimkehr

Insgesamt 40 Soldaten hatten sich bereits auf die Recherchen der beiden Journalistinnen gemeldet. Seitens der Bundeswehr gab es für dieses Projekt ebenfalls Unterstützung. Immer wieder sind Fälle dokumentiert, in denen das Verteidigungsministerium bestenfalls ansatzweise kooperativ zu solchen Projekten zuarbeitet (siehe dazu Vorwort „Feldpost“ und meine Einordnung ).

Wie die 40 Soldaten und Presseoffiziere an dem Projekt mitwirkten ist mir nicht bekannt. Am Ende wurden nun etwa 70 Porträts ins Buch übernommen. Nach dem etwa zweistündigen Gespräch samt Fotoshooting verließ ich den Interviewort mit einem guten Gefühl. In den folgenden Monaten informierten die beiden Journalistinnen regelmäßig per eMail über den Fortgang des Buchprojektes. Ihren Umgang mit der Thematik kann ich nur lobend hervorheben.

Ironie: es waren nicht einmal 10 Mails, die über die Organisation und den Fortgang des Projektes informierten. Die beiden kommunizierten damit jedoch bereits 10 mal mehr mit mir (Anm: zu meinen Einsätzen), als die Bundeswehr in den Jahren zwischen 2008 und 2012.

Mein Eindruck war, dass sich die beiden Journalistinnen um eine ausgewogene Mischung für das Buch bemühten – soweit das der mitwirkende Personenkreis zugelassen hat.

Seit einigen Tagen setzt nun die Berichterstattung über das Buch ein. Prägnant: mein Gesicht ist auf dem Cover des Buches vertreten und nun auch auf den Seiten der Bundeswehr zu sehen.

In einem sachlichen und ausgewogenen Umfeld habe ich da meist keine Probleme mit.

Doch schon der erste TV-Beitrag hinterlässt ein mulmiges Gefühl.

Ausgewogen?

In der Sendung vom 2.2.2014 war Operation Heimkehr bei Titel, Thesen, Temperamente vertreten. Die kritischen Worte des Moderators Max Moor ließen hoffen, doch der Beitrag enttäuschte mich.

Vom Offizier im Generalstab bis hin zum Oberstarzt oder der Frau Obermaat begrenzt sich die Auswahl der interviewten Personen auf aktive Soldaten. Der Ruf nach Anerkennung ist sehr deutlich und sehr laut – obgleich die Autorinnen ein etwas anderes Fazit ziehen. Die amerikanischen Verhältnisse rund um das Thema sind vielen Soldaten fremd. Das Bedürfnis nach Anerkennung ist vielfach – z.B. bei Teilnehmern des Kosovo-Krieges – nur noch das Bedürfnis nach Wahrnehmung.
(Anm.: Abschnitt gegenüber der ersten Version des Textes differenzierter ausgedrückt).

Operation Heimkehr - ttt vom 02.02.2014

Insbesondere im Fall von Frau Obermaat Baum betonen die – sicherlich geschnittenen Szenen – Aspekte, die in ihrem Porträt (siehe dazu BpB-Seite) nicht in der Art betont werden. Wieder einmal fehlen schockierende Elemente im TV-Beitrag, die im Porträt sehr wohl enthalten sind.

Auf den Seiten der Bundeszentrale für politische Bildung gibt es einige Porträts zur Ansicht.

Auf den Seiten der Bundeszentrale für politische Bildung gibt es einige Porträts zur Ansicht.

Es festigt sich der Eindruck, dass Emotionales nicht mit dem Thema Soldaten verknüpft werden soll, sondern eher technische oder Bedrohungsaspekte. Doch die seelischen Verwundungen rühren zu großen Teilen auch von der Erfahrung des Leids der Bevölkerung und der Ungerechtigkeit vor Ort (Stichwort: nicht gemeldete Festnahmen von Einheimischen).

Was dem Beitrag fehlt: Es fehlen Reservisten. Es fehlen Ehemalige. Es fehlen kritische Stimmen zum Einsatz an sich. Die politische Linie wird nicht hinterfragt. So, wie es von Soldaten verlangt wird – nicht aber von Journalisten.

Grenzen des Formates

In einem 5 Minuten 33 Beitrag ist natürlich nicht alles an Themen abzuhandeln. Doch ein paar Fragen muss sich der Kollege Stenzel gefallen lassen: hatten wir nicht schon genug solcher Berichte? Wissen wir nicht zu genüge, dass Soldaten wenig Anerkennung erhalten und das der Straßenverkehr in Afghanistan in keinem Vergleich zur mitteleuropäischen Gefahrenlage steht?

Die Sichtweise und Dramaturgie, die der Redakteur in diesem Beitrag verwendet hat macht mir deutlich, dass der Appell, den der Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages in Richtung der Bundeswehr ausgesprochen hat in gewisser Weise auch für die Medien gelten muss: auch nach der Dienstzeit gibt es eine Verantwortung für die Menschen, die von Gesellschaft und Politikern in die Einsätze entsendet wurden.

“Für Soldatinnen und Soldaten, bei denen erst nach ihrem Ausscheiden aus dem aktiven Dienst einsatzbedingte
psychische Störungen auftreten, bietet der Dienstherr bisher lediglich Informationen und Kontaktadressen in
Merkblättern über das Internet an. Diese Angebote genügen der im Paragraphen 31 Soldatengesetz festgelegten
Fürsorgepflicht nicht. Diese verpflichtet den Dienstherrn zur Fürsorge auch für die Zeit nach Beendigung des
Dienstverhältnisses.”

Link zum Jahresbericht 2013

Für Medien und Journalisten heißt das analog:

“Soldatinnen und Soldaten kämpfen oft nach dem Ausscheiden aus dem aktiven Dienst mit einsatzbedingten Belastungen. Diese aufzufangen wäre Aufgabe der Bundeswehr, die auch über das Ende der Dienstzeit hinaus in der Fürsorgepflicht steht. Journalisten, die einzig auf die Themen “Mangelnde Anerkennung für aktive Soldaten” fokussieren blenden aus, das die Gesellschaft die Kosten für Trauma und Verwundung trägt und schaffen keine Öffentlichkeit für diesen Missstand, der die Sozialsystem belastet, aber den Verteidigungsetat nicht mehr tangiert.
Journalisten, die einzig auf die Geschichten derer abheben, die durch “Gefecht, Tod und Verwundung” traumatisiert wurden lassen diejenigen aus, die derzeit unerkannt Teil einer beträchtlichen Dunkelziffer sind.”

Operation Heimkehr ist ab sofort im Handel erhältlich:
ISBN: 978-3-86153-759-5
PREIS: 24.90 EUR | Österreich: 25.60 EUR | Schweiz: 0.00 SFR

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